Notwendige politische Unterstützung
für grünen Wasserstoff
Die Markteinführung von grünem H2, der Aufbau einer H2-Infrastruktur, die Realisierung der Vorteile von Power-to-Gas, die Etablierung eines neuen Wirtschaftszweigs – das sind die Ziele der Initiative GET H2. Das möglich zu machen liegt maßgeblich in der Hand der Politik. Sie muss die notwendigen gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für eine Wasserstoffinfrastruktur schaffen und Unternehmen so Investitions- und Planungssicherheit geben. Mit ihrer Wasserstoffstrategie (siehe unten) hat die Bundesregierung einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan. Die fünf Projektpartner des GET H2 Nukleus haben die zentralen Punkte zusammengestellt, die kurzfristig umgesetzt werden müssen:
1. Ausbau von Erzeugungskapazitäten für Wasserstoff
Die staatlich induzierten Kosten für Strom, insbesondere die Höhe der heutigen EEG-Umlage, wirken einer Wasserstoffproduktion in stromintensiven Elektrolyseuren stark entgegen. Damit grüner Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Kosten in Deutschland hergestellt werden kann, müssen Elektrolyseure, die grünen Strom beziehen, von diesen Kosten befreit werden. Eine Befreiung von der EEG-Umlage wurde zwar in der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung in Aussicht gestellt, erweist sich jedoch in der Umsetzung als rechtlich problematisch. Als Alternative kann die Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) des EEG, die eine Umlagereduktion für stromintensive Prozesse vorsieht, so ausgestaltet werden, dass sie von Elektrolyseuren rechtssicher genutzt werden kann und sie so hinreichende Investitionssicherheit erhalten. Diese bereits vielfach diskutierte Option muss jetzt im Sinne der Betreiber von Elektrolyseuren umgesetzt werden.
Wir fordern daher:
- Die Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse ist als stromkostenintensive Branche gemäß § 64 EEG ausdrücklich in Anlage 4 EEG 2017 aufzunehmen[1]. Dabei darf die Einspeisung in ein Rohrleitungsnetz ebenso wie eine ggf. teilweise spätere energetische Nutzung des eingespeisten Wasserstoffs einer Begrenzung der EEG-Umlage gemäß § 64 Abs. 1 EEG (Besondere Ausgleichsregelung) nicht entgegenstehen.
- Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass – analog der Regelung für Neue Schienenbahn-Anbieter – die entsprechende Genehmigung einer Umlage-Reduktion ab dem Tag der Inbetriebnahme des Elektrolyseurs gilt und dies bereits bei Investitionsentscheidung auf Basis der Planungsunterlagen von der BAFA beschieden wird. Aktuell sieht das BesAR-Genehmigungsverfahren vor, dass die Anlage zunächst gebaut, dann schlechtestenfalls bis zu 2 Jahre gefahren werden muss und erst für das darauffolgende dritte Jahr eine Genehmigung für eine Umlagereduktion beantragt werden kann. Die damit verbundenen erheblichen Belastungen gerade in den ersten Betriebsjahren und die Unsicherheit über die Genehmigung verhindern faktisch Investitionen in den Markthochlauf.
Um für die Anlageninvestition Rechtssicherheit zu schaffen, sollte die Genehmigung einer Umlagereduktion gemäß BesAR von Anfang an für die gesamte Lebensdauer der Anlage gelten (ca. 10-15 Jahre) statt wie bisher einjährig.
[1] Die Änderung der Liste ist national möglich und nicht beihilferechtlicher Genehmigung bedürftig, da das EEG gemäß einschlägiger Rechtsauffassung weder in Bezug auf den Umlagemechanismus noch im Hinblick auf die Befreiungsregeln beihilferelevant ist. Vgl. EuGH, Urteil vom 28.03.2019 – C 405/16 P.
Ein Markthochlauf von grünem Wasserstoff wird zudem dadurch erschwert, dass die zu erwartenden starken Lernkurveneffekte große Produktionskostennachteile für die Erstanlagen mit sich bringen. Diese sogenannten „First-mover-disadvantages“ müssen daher durch ein Anreizprogramm für Investitionen und Betriebskosten von Elektrolyseanlagen gemindert/ ausgeglichen werden. Modelle hierfür sind z.B. Contract-For-Difference oder auch das von der PtX-Allianz vorgeschlagene Ausschreibungsverfahren für grünen Wasserstoff, das sich an den erfolgreichen Ausschreibungen im EEG orientiert. Die in der Wasserstoffstrategie genannte indirekte Förderung von industriellen Elektrolyseuren durch die vorgesehene Unterstützung von Wasserstoffanwendungen in der Stahl- und Chemieindustrie oder die Anreize für die Raffinerien begrüßen wir, diese sind für den Aufbau einer umfassenden, heimischen Wasserstoffwirtschaft jedoch längst nicht ausreichend.
Auch die in der Nationalen Wasserstoffstrategie genannte Prüfung von Ausschreibungsmodellen für die Herstellung von grünem Wasserstoff für die Industrie lässt noch viele Fragen offen. So wird insgesamt nicht klar erkennbar, wie „zentrale“ Elektrolyseure, die – wie im GET H2 Nukleus vorgesehen – in ein öffentliches Wasserstoffnetz einspeisen und darüber viele (Industrie-)Kunden beliefern können, in dem Maßnahmenpaket Berücksichtigung finden bzw. dieses Geschäftsmodell im Einklang mit den vorgesehenen Fördermaßnahmen stehen kann.
2. Aus- und Umbau der Transport- und Speicherinfrastruktur für Wasserstoff
Die Bundesregierung hat in der Nationalen Wasserstoffstrategie zu Recht festgestellt, dass Deutschland über eine gut ausgebaute Erdgasinfrastruktur verfügt und diese perspektivisch eine wesentliche Rolle für die Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft spielen wird. Damit die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft zeitnah gelingen kann, müssen die Maßnahmen noch stärker konkretisiert und die notwendigen rechtlich-regulatorischen Anpassungen wie z.B. im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) umgesetzt werden. Die fünf Wirtschafts- und Energieverbände FNB Gas, BDI, BDEW, VIK und DIHK haben bereits entsprechende Vorschläge vorgelegt.
Von zentraler Bedeutung ist es, dass die Möglichkeit zur Umstellung von Teilen der bestehenden Erdgasinfrastruktur auf den Transport von Wasserstoff unabhängig von der Quelle des Wasserstoffs noch in dieser Legislaturperiode geschaffen wird. Diese Änderungen sind notwendig, um den Transport von Wasserstoff sicherzustellen und damit in den Pilotprojekten wie dem GET H2 Nukleus eine Investitionssicherheit für die Erzeuger und Abnehmer von Wasserstoff zu schaffen. Die Regelung der Entgeltstruktur für Wasserstoffnetze kann von dieser Frage zeitlich abgekoppelt und ggf. in die kommende Legislaturperiode geschoben werden. In einem ersten Schritt sollte die Netzinfrastruktur – wie von der Bundesregierung bereits in der Wasserstoffstrategie avisiert - über Fördermittel finanziert werden. Generell ist zu beachten, dass die Netzentgelte für die Netznutzer sicher kalkulierbar sind. Keinesfalls dürfen die Netzentgelte zu einem Investitionshindernis werden.
Nach der Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur sind Betreiber von Fernleitungsnetzen aufgrund des Wortlauts des Energiewirtschaftsgesetzes nicht berechtigt, regulierte reine Wasserstoffnetze zu errichten und zu betreiben. Daher ist der bewährte Regulierungsrahmen für den Transport von Erdgas so weiterzuentwickeln, dass er auch auf Wasserstoff angewendet werden kann. Insbesondere sollten die Betreiber von Fernleitungsnetzen und von Gasspeichern die Möglichkeit zur Umstellung ihrer Infrastrukturen von Erdgas auf Wasserstoff erhalten.
Des Weiteren muss die bisherige Technologiebindung, die ausschließlich Wasserstoff aus Elektrolyse als in ein Gasnetz aufzunehmendes Biogas definiert, aufgehoben werden. Stattdessen muss der Netzzugang, d.h. der Transport und die Speicherung, für jedweden Wasserstoff, unabhängig von der Art seiner Erzeugung, ermöglicht werden. Dies ist insbesondere in der Markthochlaufphase der „grünen“ Technologie wichtig. Dazu bedarf es der Streichung der Technologiebindung aus der Gasdefinition in § 3 Nr. 19a des Energiewirtschaftsgesetzes.
Weiter sollte in den Definitionen des Energiewirtschaftsgesetzes für die Betreiber von Fernleitungsnetzen (§ 3 Nr. 5 und Nr. 19 EnWG) und von Gasspeichern (§ 3 Nr. 9 EnWG) der Begriff „Erdgas“ durch den Begriff „Gas“ ersetzt werden.
Durch eine neue Definition für Wasserstoffnetze sowie durch entsprechende Ergänzungen im Energiewirtschaftsgesetz und in der Gasnetzzugangsverordnung sollte die Möglichkeit zum Betrieb von reinen Wasserstoffnetzen mit separaten Bilanzkreisen geschaffen werden.
Bedarfe für den Transport von reinem Wasserstoff müssen gleichberechtigt in den Netzentwicklungsplan Gas einbezogen und kurzfristig parallel die Grundlagen für erste konkrete Projekte geschaffen werden.
Hinsichtlich der Herstellung von Netzanschlüssen zur Einspeisung von Wasserstoff in bestehende Erdgasnetze sollte durch entsprechende Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz und der Gasnetzzugangsverordnung sichergestellt werden, dass sich die Einspeisungen innerhalb der Grenzen der DVGW-Regelwerke bewegen und dass bestehende Nutzer des jeweiligen Erdgasnetzes hierdurch nicht beeinträchtigt werden.
Die Umstellung bestehender Erdgasleitungen auf den Transport von Wasserstoff sollte dadurch erleichtert werden, dass bestehende Grunddienstbarkeiten und Nutzungsrechte an Grundstücken weiterhin gültig sind. Hierzu sollte in das Energiewirtschaftsgesetz eine Auslegungsregel für beschränkt persönliche Dienstbarkeiten und für vertraglich vereinbarte Gestattungen eingefügt werden.
3. Anreize zur Nutzung von Wasserstoff für die Phase des Markthochlaufes
- Eine zeitnahe Umsetzung der RED II (Renewable Energy Directive der EU) ist erforderlich, um neben dem Einsatz in Raffinerien auch die Anrechenbarkeit des direkten Einsatzes von CO2-frei erzeugtem Wasserstoff auf Minderungsquoten im Verkehr zu gewährleisten. Die verabschiedete Nationale Wasserstoffstrategie sieht eine solche zeitnahe Umsetzung ebenfalls als zentral an.
- Die RED II setzt für den Verkehrssektor das Ziel von 14% EE in 2030; einige nachhaltige Kraftstoffe werden dabei zur Incentivierung mit einem Vielfachen ihres Energiegehaltes (ie: Multiplikator >1) angerechnet. Um die noch verbleibende Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen, sollte auch für grünen Wasserstoff bei Einsatz in Raffinerien eine doppelte Anrechnung ermöglicht werden. Dies ist auch in europäischen Nachbarländern wie den Niederlanden und Frankreich in Vorbereitung. So kann ein schneller und ambitionierter Markthochlauf gelingen.
- Ausdrücklich zu unterstützen ist die in der Nationalen Wasserstoffstrategie geplante Etablierung von Nachweissystemen und Qualitätsstandards, u.a. im Hinblick auf Herkunftsnachweise für Strom aus erneuerbaren Energien. Diese sollten unbürokratisch und nachvollziehbar sein. Im Hinblick auf die Feststellung der „grünen“ Eigenschaft des erzeugten Wasserstoffs durch Einsatz erneuerbaren Stroms (Umsetzung Art. 27 Kriterien, Recital 90 der RED II) sind insofern pragmatische Kriterien für den eingesetzten erneuerbaren Strom anzulegen. Eine sehr enge Auslegung der in der RED II genannten Kriterien Zusätzlichkeit, räumliche Nähe oder Zeitgleichheit würde die Menge einsetzbaren erneuerbaren Stroms und die Produktionsmöglichkeiten für grünen Wasserstoff derart begrenzen, dass eine wirtschaftliche Produktion von Wasserstoff in Deutschland erheblich erschwert wird. So könnte ein Score-Card-Modell, in dem für die Erfüllung der vorgenannten Kriterien Punkte vergeben werden, eine pragmatische Alternative darstellen. Langfristig sind zur Vereinfachung qualifizierte Herkunftsnachweise als ausreichend anzuerkennen
- Wie in der Nationalen Wasserstoffstrategie ebenfalls vorgesehen, sollte die Einführung handelbarer Zertifikate für Wasserstoff im Sinne des Green Deal auf EU-Ebene harmonisiert erfolgen. Entscheidend ist, dass diese Zertifikate auf CO2-Minderungsziele anrechenbar sein werden; Basis sollte eine technologieoffene CO2-basierte Klassifizierung des jeweils eingesetzten Wasserstoffs und damit unterschiedlicher H2-Herstellungstechnologien sein. So wird auch die Handelbarkeit von Wasserstoff frühzeitig ermöglicht.
- „Grüner“ bzw. klimaneutraler Wasserstoff kann dann bilanziell bezogen werden. Dies gilt für Wasserstoff, der unter Einsatz von erneuerbarem Strom mittels Elektrolyse sowie beispielsweise auch für Wasserstoff der unter Einsatz von Biogas/Biomethan mittels Dampfreformation oder Pyrolyse hergestellt wurde.
- Eine derartige Technologieoffenheit ist insbesondere für einen effektiven Markthochlauf von entscheidender Bedeutung und sollte deswegen als fester Grundsatz verankert sein.
Das Forderungspapier der Partner des GET H2 Nukleus, das auch die anderen Partner von GET H2 unterstützen, steht hier zum Download zur Verfügung (PDF).